Viele Jahre haben wir uns der Frage gewidmet: „Was ist ein gutes Leben?“. Recht früh wurde klar, dass es für uns ein Weg der Selbsterkenntnis und des Loslassens von selbst aufgebauten Verbindlichkeiten ist. Jeglicher Schein und das Spielen gesellschaftlicher Rollen wurden immer uninteressanter auf unserer Reise durchs Leben. Menschen finden sich häufig in einem „repräsentativen“ Leben wieder, wo sie entsprechen wollen und Erwartungen zu erfüllen haben. Doch der Preis dafür ist ein hoher: Sehr oft kostet es Lebendigkeit, Beweglichkeit und Leichtigkeit.
Um das kostbare Leben zu feiern und es würdig zu begehen, ist es für uns wesentlich, ja zu sagen zu den vermeintlichen Risiken eines selbstbestimmten Lebens, ja zu sagen zu stetigem Wandel.
Inhaltsverzeichnis
Mehr Fülle durch Reduktion
Zehn Jahre lang lebten wir in einem Kärntner Bergdorf. Dieses Leben war bereits ein Resultat von radikaler Entschleunigung. Wir waren dort sehr glücklich und liebten diesen Ort über der Nebelgrenze. Es war ein richtiges Zuhause für uns und unsere Tiere geworden. Dennoch kam der Punkt in unserem Wandlungsprozess, wo es für uns Zeit wurde, weiterzuziehen, um noch mehr Einfachheit und Naturnähe zu leben. Uns war bewusst, wie privilegiert unser Leben bereits war, doch wir fühlten den Ruf einer neuen Schwingung, der Schwingung von Freiheit und Selbstbestimmtheit.
Aber warum gleich auswandern?
Österreich wurde für uns immer problematischer in Bezug auf politische Entscheidungen und mediale Kommunikation. Beklemmung machte sich breit. Als Selbstständige fühlten wir uns auch wirtschaftlich von der überbordenden Bürokratie erdrückt.
Außerdem träumten wir schon lange davon, in wärmeren Gefilden von Wein und Olivenöl zu leben und den dicken Wintermantel der Caritas zu spenden.
So öffneten wir uns dafür, an einen Ort mit weniger Kontrolle und mehr Sonne zu übersiedeln. Es dauerte nicht lange, und wir fanden unser Feenland in einer Region von Portugal, wo die Zeit scheinbar stehengeblieben ist. Unberührte Natur und Einfachheit im alltäglichen Leben paaren sich hier mit menschlicher Wärme und miteinander gelebter Freude. Menschen nehmen sich Zeit für die wichtigen Dinge, treffen sich und genießen.
Und so leiteten wir die Übersiedelung auf eine kleine Olivenfarm mitten in der Natur ein, in ein autarkes Leben mit eigenem Wasser, eigenem Strom, Wald und Früchten, die das Land bereitstellt.
Um alles gut über die Bühne zu bringen, nahmen wir uns vor Ort einen Rechtsbeistand, der mit uns die gesamte Bürokratie von Kauf und allerlei Genehmigungen durchlief. Es war ein gutes Gefühl, einen Fachmann für diesen wichtigen Teil des Auswanderungsprozesses zu haben. Da wir auch unsere Firma übersiedelten, suchten wir uns außerdem einen portugiesischen Steuerberater, mit dem wir auch dies gut hinbekamen. Parallel zu all dem begannen wir unsere Behausung zu planen.
Zunächst liebäugelten wir mit der Idee einer Yurte und spannen sie immer weiter aus, bis wir bei einem Oktagon aus Holz landeten. Es war ein grauer kalter Dezembertag, als wir auf unserer Couch in Österreich saßen und den ersten Entwurf unseres achteckigen Tinyhouses zeichneten. Fest stand, es sollte viel Licht ins Haus kommen. Wir waren aufgeregt, voller Freude über das bevorstehende Abenteuer. Allein die Vorstellung, bald schon Orangen und Feigen direkt vom Baum in unserem Garten essen zu können, ließ unsere Herzen hüpfen.
Es dauerte nicht lange und wir übergaben unsere Hausskizzen dem Profi, der das Oktagon fertigte, und zwar so, dass wir es mit dem Sattelschlepper nach Portugal transportieren konnten. Bis zu diesem Zeitpunkt lief alles sehr professionell und nach Plan, doch sobald wir in Portugal mit den Arbeiten begannen, wurden wir ausgebremst. So ziemlich alles lief anders als geplant. In unserem Video weiter unten geben wir einen Einblick in die portugiesische Art, Dinge zu tun und Probleme zu lösen.
Das Leben feiern
Unser Ankommen in Portugal war vergleichbar mit dem Abfahren von der Autobahn, auf der die Umgebung viel zu schnell vorbeiflitzt, als dass man ihren Anblick genießen könnte. Jetzt sind wir mit offenen Augen auf einem zauberhaften Feldweg unterwegs und lernen das Leben portugiesisch zu leben. Portugal ist das Land des freien Hausverstandes, der mehr zählt als der bekannte österreichische Satz „Wo kämen wir da hin, wenn das jeder täte…“. Das Motto hier lautet: Tue, was du tun möchtest und sei rücksichtsvoll und nett zu deinen Nachbarn.
Kürzlich fand hier in einer malerischen Altstadt das Pilzfestival statt, bei dem auf wunderschöne Weise fünf Tage lang die Natur und ihre Gaben gefeiert wurden. Selbstverständlich werden auch die Kirschen, die Oliven und der Wein gefeiert. Die kleinen Cafes in den umliegenden Dörfern sind voll von Menschen, die miteinander sprechen und uns mit offenen Armen willkommen heißen. Der Sinn für das Wesentliche ist hier nicht verloren gegangen.
Wir haben Zeit, den Oliven beim Wachsen zuzusehen. Wir haben Zeit, dem Gesang des Pirols zuzuhören. Wir haben Zeit, unseren Nachbarn bei der Olivenernte zu helfen. Wir haben sie hier gefunden, die Schwingung, nach der wir uns so sehr sehnten.
Acht Monate ist es nun her, dass wir samt Miezekatzen in unsere neue Heimat aufgebrochen sind. Das autarke Leben fernab der Annehmlichkeiten der modernen Lebensweise ist nicht immer bequem, aber die Bäume zu pflegen, ihre Früchte zu ernten und zu verarbeiten, das Eintauchen in die Schwingung einer uralten Eiche, die ehrlichen Begegnungen mit den Menschen, all das stillt die Sehnsucht nach Sinn im Leben.
Dem eigenen Herzen folgen
Manchmal ist der Ruf nach Lebendigsein so groß, dass man den Mut aufbringt, vermeintliche Sicherheiten aufzugeben und dem eigenen, unvernünftigen Herzen zu folgen.
Wenn wir hier von unseren Lebensentscheidungen schreiben, hoffen wir, jene Menschen inspirieren zu können, die deutlich wahrnehmen, dass in ihrem Leben eine Kurskorrektur ansteht. Natürlich gibt es Lebensphasen, in denen man echte Verbindlichkeiten hat. In einer solchen Situation ist der Bewegungsspielraum eingeschränkt, aber nie völlig erloschen.
Wer mutig und wahrhaftig gelebt, viel geliebt und gelacht hat, sich den wahren Verantwortungen gestellt hat, hatte doch ein gutes Leben, oder?
Es ist nun endlich unser erstes Video hier in Portugal entstanden. Darin erzählen wir dir, wie es uns bei der Auswanderung ergangen ist und weshalb wir sie nicht mit der Kamera begleitet haben, wie zunächst angekündigt.
Wie du dir vorstellen kannst, haben wir ein aufregendes Jahr hinter uns. Unser Leben sieht jetzt ganz anders aus, als noch vor wenigen Monaten. Wir konnten natürlich nicht alles in ein einziges Video verpacken, aber ein Anfang ist gemacht und du bekommst einen kleinen Eindruck davon, wie es uns erging und wie wir jetzt leben.
Wir sind voller Freude, dir in vielen weiteren Videos sowohl von den schönen als auch den herausfordernden Seiten der Auswanderung zu berichten und dir Ausschnitte aus unserem Offgrid-Leben hier auf der kleinen Olivenfarm zu zeigen.
Eine verkürzte Version dieses Artikel erschien zuerst im Yavida Magazin und ist hier online verfügbar.